Stockholm Kiel 10 wunderbare Tage

von Heinrich Rathje


Die Handschuhe sollen vor Sonne schützen, nicht etwa vor Kälte

Montag 24. August 2015

Keine 12 Stunden sind wir wieder in Kiel, zurück aus Schottland, es klingelt an der Tür: Rainer R. steht da,fragt, ob ich Lust hätte, mit ihm ein Boot aus Stockholm nach Kiel zu bringen. Er wolle sich dort ein Schiff kaufen, habe sich einige im Internet angeguckt und sich mit den Eignern verabredet und wenn alles klappe, dann solle das Boot gleich mit nach Schilksee. Das kommt sehr überraschend, doch Lust habe ich schon. Ich will aber unbedingt spätestens am 11. September wieder zu Hause sein. Schon allein wegen Sarah Peasgood. (“You are my personal angel.”) Wenn das machbar wäre, dann würde ich sogar auf meine Geburtstagsfeier verzichten. Rainer fliegt bald los, am Freitag ruft er an: Ein Boot ist gekauft. Eine Athena 34. Nur bezahlt sei es noch nicht, das würde seine Frau per Blitzüberweisung am Montag regeln.

Am Sonnabend besuchen wir Werners und Ankes Hochzeitsfeier in Oeversee, am Sonntag haben wir viel Besuch und ich kann plötzlich den Zug nicht mehr buchen, der gestern am Vormittag noch im Internet zu buchen war. Fahrt zum Bahnhof hätte ich die Fahrkarte einen Tag früher gekauft, hätte sie 69€ gekostet, jetzt 253,50€ ... ist ja schon ein deftiger Unterschied. Mehr als ein Dutzend Mails muss ich schreiben: “Zu den norddeutschen Gebräuchen gehört es, nicht zu Geburtstagen einzuladen. Wer kommt, der wird freudig und freundlich begrüßt, alle anderen haben was Besseres vor. Klappt aber nur, wenn das Geburtstagskind auch da ist. Sonst ist es ja doof und Besucher traurig. Deswegen schreibe ich Dir.” Hoffentlich habe ich niemanden vergessen.

Montag 31. August 2015

Abreise Kiel 8:44, Ankunft Stockholm 19:39 Uhr. Ziemlich uninteressant, die Fahrt. Im Zug gibt es ein paar “Refugees” die nicht verstehen, dass man auf der Fähre nicht im Zug bleiben darf und es gibt keine gemeinsame Sprache, es ihnen zu erklären.

In Nykøbing amüsiert mich die Reklame, dass es einen tollen Film nun wahlweise digital oder auf DVD gibt. Die gute alte Analog-DVD? In Kopenhagen auf dem Bahnhof irritiert mich eine andere Werbung auf großen Aufstellern: “Zu Hause überfallen worden? Da bist Du nicht allein. Kontaktiere uns und wir helfen Dir.” Ebook dabei. Viele im Zug sind digital beschäftigt. Eine junge Frau neben mir reist nach Malmö, dort hat sie einen Job bei E.ON bekommen, sie fragt nach ein paar Tipps für Ausflüge nach Kopenhagen. Bekommt sie. Schade für die kopenhagener Jungs, dass es die Brücke gibt nun können sie nicht mehr den Schwedenmädchen die die letzte Fähre verpasst haben eine Übernachtung anbieten.

Rainer und Börje holen mich vom Bahnhof ab. In der Innenstadt erkenne ich einiges wieder: Katarinahissen, Stomatol-Reklame."Da oben auf dem Felsen ist ein nettes Restaurant, da

kann man gut essen. Vorwiegend vegetarisch." verblüffe ich Börje. “Da hinten liegt Alf Chapman da habe ich 1965 mal drauf übernachtet.” Ihn amüsiert die Geschichte wie ich einst mit Supersonic Dave auf Utö war und er uns eine Flasche Whisky kaufen wollte. Im Systembolaget hatte er sich fix etwas ausgesucht, machte aber große Augen, als man ihm sagte: “Kein Problem, können sie Ende der Woche abholen.” In der Sauna auf Utö waren wir die einzigen Nackten und die einzigen, die kein Bier dabei hatten.

Börje wohnt toll: Hübsches Haus fast direkt am Wasser. 25 Meter bis zu seinem Boot. Ganz in der Nähe war die FidraWerft.

Am Boot wird schnell das Gepäck verstaut, dann werden ein paar Hände geschüttelt und ab geht es in die Nacht. Durch enge Passagen, fast durch die Vorgärten der Villen motoren wir bis unterhalb des Artipelag . Laue Sommernacht. Hier wollen wir über Nacht bleiben. Rainer erklärt und zeigt mir sein neues Schiff. Ist schon eine andere Dimension als die “Old Monk”. Toll gepflegt, prima ausgerüstet, 30 Jahre alt und nicht ganz billig. (Während der weiteren Reise ergeben sich für mich drei Punkte, die meiner Meinung nach nicht optimal sind: die Pantry lässt sich nur von einer Person “bewirtschaften” (gern würde ich beim Abwaschen helfen, geht aber nicht), der Abstand Tisch/Sitzbank ist an Backbord so knapp, dass das “Einfädeln” schon für einen allein beschwerlich ist und im Sanitärabteil gibt es kein Waschbecken.)  Es gibt ein Glas schwedischen Whisky Mackmyra, etwas plaudern und dann in die Koje.

Dienstag

Frühstück mit Müsli, Brot und Kaffee und Leinen los. Der Wetterbericht sagt 5 bis 6 Windstärken vorher, da fahren wir gleich mit gerefftem Großsegel los. Es ist grau und nieselt gelegentlich. Hunderte von kleinen Inseln und Felsen säumen unseren Kurs der Schärengarten. Kleine Ortschaften und einzelne Häuser, einige sicher hundert Jahre alt, wenige andere modern. Im Sommer muss hier viel Betrieb sein, jetzt ist die Saison erkennbar zu ende. Es gibt keine Farben alles grau.

Wir passieren Saltsjöbaden in einiger Distanz schöne Erinnerungen werden in Rainer wach. Vor zwei Jahren mit “Old Monk” und gemeinsam mit Roswitha.

Der Wind nimmt ständig zu, wir müssen kreuzen, es wird ungemütlich. Die Selbstwendefock ist eine tolle Erleichterung. Ab und zu steigt das Boot hoch und knallt dann wieder heftig in die nächste Welle. Rainer ist bemüht, die Wellen so anzusteuern, dass die Bewegungen sanfter sind und meistens gelingt das auch. Meistens.

Die Schären werden kahler, wir passieren eine Festungsanlage und ein paar Schären auf denen Baumgerippe stehen die Kormorane haben ganze Arbeit geleistet. Je freier das Wasser, desto rauer die See. Irgendwo weiter drinnen ist Nynäshamn, zu sehr Sackgasse für eine Pause. Die “Queen Victoria” hat sich da mal reinbugsiert. Knapp 300 Meter Schiff. Ich war da vor Jahren mit dem Motorboot.

Zwischendurch verrät uns Lowrance die Position nicht mehr. Das passt jetzt so gar nicht in den Kram. Aber wir haben ja noch ein anderes Navi mit und nach etwas Fummelei ist

Rainer mit Lowrance wieder per “du”.

Am frühen Nachmittag beschließen wir, irgendwo Schutz zu suchen. Wir studieren die Karte und entscheiden uns für Landsort, da muss es eine Möglichkeit geben. Ich empfehle eine Bucht im Norden der Insel, die erscheint mir nach meiner Erfahrung sehr gut geeignet. So wie ich die Seekarten lese. Als wir uns nähern, sehen wir, dass es sogar einen kleinen Hafen gibt. Der ist zwar auf der Seekarte nicht verzeichnet, uns aber dennoch sehr willkommen. Meine Ahnung hat mich nicht getrogen. Hafen mit Dusche und einer Kunstausstellung: “50 Shades of Landsort”.

Am Hafen stehen auf einem Felsen zwei Pferdeköpfe aus (vermutlich) kräftigem Baustahl. Entworfen und hergestellt von Ole Drebold. Der wurde bei Lüneburg geboren, hat in Hamburg studiert und wohnt und arbeitet jetzt auf dieser Insel.

Auf dem Nachbarboot sitzen zwei ältere Herren (noch älter als ich!) und bereiten ein Mahl vor. "Das bläst aber draußen, ui ui ui ui!" "Das haben wir erlebt, wir kommen direkt aus Stockholm." "Stockholm? Ui ui ui ui!"

Wir wandern etwas über die Insel. Auf einer Anhöhe ist ein alter Bunker, von dem aus hat man einen herrlichen Ausblick über das Seegebiet, das wir kurz zuvor überquert haben. Es sieht sehr ungemütlich aus. Gut, dass wir jetzt nicht da draußen sind.

Mittwoch

Obwohl der Hafenmeister uns versprochen hat, heute gäbe es ab halb acht frische Brötchen, ist bei ihm der Laden zu. Dann gibt es eben keine Brötchen zum Frühstück. Wir haben immer noch gerefft, denn so viel weniger bläst es jetzt auch nicht. Es weht zwar mehr als ordentlicher Wind, doch es geht nicht recht voran. Wir müssen kreuzen, es steht eine hohe See. Oft kann man durch geschicktes Steuern sanft durch die Wellen fahren, oft aber knallt das Boot in die See dass alles zittert und kracht. Oft kommt auch See an Bord das ist bei einem Boot der Größe schon ein Zeichen dafür, dass es mehr als sechs Windstärken sind. Nach fast drei Stunden fragt mich Rainer, wo wir in die Schären eintauchen können innen sei keine Welle und wir würden besser vorankommen. Hier draußen brächte es nichts mehr. Ich studiere alle Informationen, die das Lowrance uns zur Verfügung stellt und finde keine geeignete Stelle. Mein Vorschlag: Zurück in den Hafen, aus dem wir gekommen sind. Da wissen wir, wie wir den ansteuern müssen, kennen die Untiefen. So etwas hat Rainer noch nie gemacht zurücksegeln. In den Hafen aus dem man gekommen ist.

Eine Stunde später sind wir wieder im Nordhafen von Landsort. Die Sonne scheint und wir sind im Windschatten. Das ist wie im Sommer. Wir hängen unsere Sachen zum Trocknen auf und unternehmen eine Wanderung zum Ort. Unterwegs viele Kunstwerke. Der Ort selber ist Schweden wie im Bilderbuch. Die vielen kleinen bunten Häuser, der winzige Hafen. Alles scheint ausgestorben. Die Saison ist vorbei. Nur in Ole Drebolds Atelier brennt zwar Licht, doch sehen wir niemanden. Gern wären wir auf einen Klönschnack geblieben. Machen wir nächstes Mal: “Ist doch klar, einfach anklopfen, bis dann, Ole..” schreibt mir der Künstler. Leider hat auch der Pub geschlossen. Unterwegs naschen wir Brombeeren und Blaubeeren wegen der Vitamine und weil sie lecker sind. An einer Straßenecke hängt ein Brett mit drei Haken. An einem Haken hängt ein Schlüssel. Das bedeutet: Heute ist die Fähre in dem Hafen, bei dessen Name der Schlüssel hängt. Als wir wiederkommen gibt es etwas

Aufregung: Wir müssen das Boot verholen, denn die Fähre beansprucht den Platz. Das hätte man uns gern eher sagen können. Der Hafenmeister empfiehlt uns einen Platz mit viel Schwell. Keine Option für uns. “Ich verstehe: Sie wünschen das nicht,” sagt der Hafenmeister und hat recht damit. Wünschen wir wirklich nicht und erwägen den Hafen zu verlassen aber vorher bitte das Hafengeld zurück. Der Fährkapitän ist weniger kompliziert als der Hafenvogt.

Immerhin hat der intensiv und vergeblich nach einer Metallsäge gesucht. Nun müssen wir das Rohr vom Baumniederholer mit einer stumpfen Säge kürzen.

Donnerstag

Heute müssen wir ein paar mehr Meilen machen, denn ich will spätestens morgen in einer Woche in Kiel sein. Jetzt hätten wir Brötchen haben können nun wollen wir nicht.

Ohne Reff geht es sehr flott voran. Die Sonne scheint vom blauen Himmel, der Wind hat die richtige Stärke aber nicht ganz die richtige Richtung. Die See steht immer noch beachtlich hoch. Toll, wie man mit dem Boot kreuzen kann. So viel Spaß hat mir Kreuzen noch nie gemacht. Kurze Holeschläge und dann lange, ganz lange auf dem Streckbug. Toll. 7,5 Knoten liegen fast permanent an. Einige Silhouetten und Umrisse erkenne ich wieder hier waren wir vor zwei Jahren auch.

Heute wollen wir an einer Schäre festmachen. In Valdemarsviken wird eine geschützte Bucht ausgesucht und angesteuert. Beim Sprung von Bord auf die Schäre erwische ich wohl ein Stück Moos, rutsche aus, falle hin und gleite im Zeitlupentempo in Wasser. Bis über die Hüfte stehe ich da und elegant ist es wirklich nicht, wie ich mich wieder hochhangele. Das ist mir unangenehmer als das Reinfallen. Zum Glück habe ich genug Ersatzzeug mit, kann meine nassen Sachen auswringen und zum Trocknen aufhängen. Das Bein blutet nur wenig und die Hose ist auch heil geblieben. Darauf einen Schluck Rum!

Freitag

Mein Geburtstag. Der erste seit über 30 Jahren, den ich nicht zu Hause feiere. Ich feiere gar nicht. Rainer spielt mit seinem iPhone ein Geburtstagslied von Stevie Wonder. Er bereitet Bacon & Egg zum Frühstück zur Feier des Geburtstages. Was für eine nette Geste.

Heute haben wir ein ambitioniertes Programm Kalmar, 90 Meilen und der Wetterbericht sagt Schwachwind voraus. Der Volvo tuckert absolut gleichmäßig und nicht aufdringlich. 6,5 Knoten versprechen eine Ankunft vor Einbruch der Dunkelheit. Wie schön die Schären zu beiden Seiten, wenig Betrieb, die Sonne scheint und wärmt Herz, was willst du mehr?

Erstaunlich schnell sind meine Sachen wieder trocken. Plötzlich sehe ich Idö Skärgårdsliv. "Hier waren wir schon mal!" rufe ich.

Rainer freut sich, dass ich "wir" sage. Ja, genau hier tauchten wir vor zwei Jahren in die Schären ein. Rainers erste Schärenerfahrung. Dieses Restaurant auf der Schäre passierten wir damals auch mit Gegenkurs.

Die Blaue Jungfrau kommt ich Sicht. Der Spätsommer zeigt sich von seiner besten Seite. Einige Mails und SMs trudeln ein. Erstaunlich, dass man hier draußen ein Netz hat. Christiane erreicht mich sogar per Telefon.

Plötzlich erstirbt der Motor. Rainer startet neu, nach wenigen Sekunden streikt der Volvo wieder. Das wiederholt Rainer einige Male. Wir sind uns schnell einig, dass ein Kraftstofffilter dicht sein muss. Ersatz haben wir nicht an Bord. Also müssen wir segeln. Zum Glück kommt etwas Wind auf zum Pech nicht eine besonders gute Richtung. Wir kreuzen und kreuzen

und langsam wird es dunkel. Wir können nicht einmal unser Positionslicht benutzen das hat die See vor einigen Tagen zerstört.

Alles, was für die Silhuette der Brücke halten entpuppt sich als etwas anderes, vom Kraftwerk Oskarshamn bis zur Industrieanlage ganz schön lang der Sund.

Sollten wir Borgholm anlaufen? Verlockend, aber keine gute Idee, denn es gibt dort mit Sicherheit keine Ersatzteile. Eine andere Yacht zieht etwas zu weit an uns vorbei wenn wir mit dem Tampen winken würden, sie würden das nicht sehen. Die Ansteuerung von Kalmar ist tricky, knapp fahren wir an einer unbeleuchteten Tonne vorbei. Obwohl das Boot für ihn neu ist, beherrscht Rainer es perfekt und wir kommen erst unter Segel und dann mit Restfahrt treibend an einen guten Liegeplatz. Nun gibt es den Geburtstagsrum!

Sonnabend

Rainer zaubert mir ein Geburtstagsfrühstück Bacon & Egg!

Der Bootssportladen hat zu. Es hängen ein paar Telefonnummern an der Tür, doch keiner der angerufenen Mitarbeiter hat Lust, vor Montag zu erscheinen. Kein Filter vor Montag? Das kann nicht sein. Ich frage einen dänischen Skipper, ob er eventuell einen passenden Filter hat. Er hat gleich vier davon genau das passende Modell. Der Filter ist fix gewechselt trotzdem streikt der Motor. Kein Sprit kommt bei ihm an. Wir finden einen Grobfilter, öffnen ihn und finden eine Menge Ölschlamm. Den entfernen wir trotzdem kein Erfolg. Saugen am Rohr, pusten ins Rohr dicht! Es gibt noch einen Absperrhahn im System. Den bauen wir aus und finden zähen Schlamm. Auch der Absperrhahn wird gereinigt der Volvo läuft! Wo

ist die nächste Tankstelle? Drei Kilometer vom Hafen entfernt. Einem alten Ehepaar tun wir leid sie fahren uns zur Tanke und wieder zurück. In der Stadt gibt es zur Belohnung ein Bier. Mit einem italienischen Kellner. Der stammt aus Genua, hat mal in einer Firma gearbeitet, die Batterien produziert. Kam mit Cadmium in Berührung und dann sagte sein Arzt zu ihm, dass er nicht mehr lange zu leben hätte. Da hat er das mit dem Cadmium aufgegeben, lebt jetzt da, wo die Luft rein ist und freut sich über jeden Tag geschenkten Lebens.

Mein letzter Schluck Bier aus dem Glas befördert etwas Festes auf meine Zunge. “Diese Schweden, benutzen nicht einmal saubere Gläser und nehmen trotzdem so viel Geld fürs Bier!” Ich greife in meinen Mund, fasse das feste Irgendwas zwischen zwei Fingern und will es inspizieren. Der seltsame Festkörper ist gelbschwarz gestreift und hat Flügel. Die Wespe ist noch recht benommen und mein Reflex sehr schnell. Schon macht sie Kontakt mit dem gepflasterten Boden.

Rainer muss jetzt Pyttipanna kennen lernen wo wir doch in Schweden sind. Tiefkühlkost mit Spiegeleiern aufgepept. Obwohl wir keinen Besuch von der Hafengeldkassierin hatten, kommen wir in das Servicegebäude und: Überraschung es gibt eine Sauna. Natürlich benutzen wir die.

Neues Zeug an und ab in die Stadt. Im O'Reillys gibt es Live Musik und unsere Tischnachbarin spricht Deutsch weil ihre Oma Deutsche ist. Sie kann sich gar nicht vorstellen, dass man in Deutschland segeln kann. "Ihr habt doch gar keine Inseln wo segelt ihr dann hin!"

Der Musiker ist etwas zu laut, doch bringt er viele zum Tanzen. Seine Version von “I saw her standing there” würde ich mir sogar gern wieder anhören. Toller Tag!

Sonntag

Es ist Regen angesagt und es regnet. Regnet? Es gießt, es schüttet wie aus Eimern und Badewannen. Dazu ist es saukalt. Langsam haben kein trockenes Stück Kleidung am Leib trotz Segelzeug. Wenn Rainer einen Fuß aufsetzt, spritzt Wasser aus dem Schuh. Hier und da gibt es ein Loch in den Wolken nur niemals da wo wir sind. Wenn wir doch mal ein Wolkenloch erwischen, dann schüttet es eben aus dem Loch umso mehr. Bemerkenswert: es wird weder gejammert noch geflucht.

Wir steuern Sandhamn an. Was für ein trister Ort. Aber warme Duschen. Der Hafenmeister hat keine Positionsleuchten in seinem Laden aber einen Taucherhelm als Deckenleuchte. Zum Glück hat der Vorbesitzer einen Heizlüfter an Bord gelassen und den lassen wir die ganze Nacht durch laufen.

Montag

Tagesziel = Ystad. Etwas ambitioniert, doch der Wind verspricht uns zu helfen. Lowarance hat jetzt Ruhe für dieses Gebiet sind noch keine Karten da. Macht ja nix Rainer hat vorgesorgt.

Heute verwöhnt die Sonne uns wieder und der Wind ist nicht so schlecht, Was für ein Schiff ist dort am Horizont und wo fährt es hin? Es ist kein Schiff, es ist Utklippan. Eine altbekannte Schäre. 1990 mit der “Kleiner Muck” und 2013 mit “Old Monk”, beides sehr schöne Erinnerungen. Bornholm taucht über der Kimm auf. Eigentlich sollte ich doch in diesem Jahr für mindestens eine Woche dort sein, bei Kathy und Torkild auf dem Campingplatz in Gudhjem. Aber sie selbst hielten es dort keinen Monat aus. Nun habe ich die Insel schon so oft gesehen, von Booten und Fähren, und bin doch noch nie auf ihr gewesen.

Kåseberga lassen wir knapp Steuerbord liegen. Markanter Silo oder Tank macht die Silhouette unverwechselbar. Hier rammte Hans Martin mal eine Slipanlage. Danach gingen wir auf die Steilküste zu Ales Stenar. Über zwanzig Jahre her. Damals hielt man die Hanöbucht für elend lang und tief. Jeder Segler hat Respekt vor der Hanöbucht. Heute flitzen wir förmlich darüber.

Das Boot läuft super fix und wir erreichen Ystad noch in der Abendsonne. Ich habe keine Lust auf Ravioli und lade Rainer zu Luigi auf eine Pizza ein. Natürlich gibt es keinen Luigi, dafür "Le Cardinal". Staropramen und leckere Pizza haben wir doch verdient. Finden wir jedenfalls. Schöne Ecken gibt es in dem Ort. Kein Wunder, dass der gern als Filmkulisse dient. Ein Tag mit wenigen Ereignissen, aber ein traumhafter Segeltag mit einem wunderbaren Abschluss.

Dienstag

Wir brauchen Brot. Schnell finden wir einen Bäcker und sogar einen Laden, wo man Zigarillos kaufen kann. Nach einem etwas ausgedehnteren Frühstück legen wir ab und es geht gen Klintholm. Das Boot läuft wieder super schnell, doch muss der Rudergänger sich ordentlich in Zeug legen, so groß ist der Ruderdruck. Die Sonne strahlt wieder vom blauen Himmel herab. Toll! Einfach toll.

Obwohl das Schiff klasse läuft verfolgt uns scheinbar eine Windplantage. Gefühlte Ewigkeiten behalten wir die riesigen Anlagen in Sicht. Die Travemünde-Fähre kreuzt unseren Weg, Møns Klint kommt früh in Sicht, es dauert lange bis die Küste wirklich nah ist trotz super Fahrt.

Am späten Nachmittag erreichen wir unser Ziel. Im Kaufmannsladen gibt es Butter und Wurst und einen Karton mit italienischem Rotwein. Der stellt sich als wirklich lecker heraus. Wir sitzen im Cockpit bei Zigarillos und Wein bis Rainer auf die Knochen durchgefroren ist. Noch ein Supersegeltag.

Mittwoch

Heute soll es nach Fehmarn gehen. Der Wind ist besser als prognostiziert und bis auf die letzten fünf Meilen können wir segeln. Lollands und Møns Küste kenne ich fast wie meine Westentasche. Hesnæs habe ich oft mit der Mön 27 angelaufen, die wir vor Jahren mal mit der Schule gechartert hatten als wir in Hårbølle Ferienhäuser gemietet hatten. Mehr als zwanzig Jahre her. Mit Hans Martin war ich dort mit einem Segelboot, der Oberon. Auch lange her und in Klintholm haben wir eine Nacht während unserer Hochzeitsreise verbracht. Über 35 Jahre her. Irgendwie fühle ich mich hier schon lange nicht mehr wie im “Ausland”.

Wir gehen in Burgstaaken im Goldenen Anker essen bestellen die Inselpfanne und Bier dazu. Jetzt lädt Rainer mich ein wegen Geburtstag und überhaupt weil er sich so freut, dass ich ihn begleite.

Donnerstag

Esist kräftiger Wind angesagt. Schilksee ist das Ziel. Heute wollen wir nur mit Fock segeln bei der vorhergesagten Windstärke sollte das ausreichen. Das Boot würde mit zwei Segeln ruhiger und ausgeglichener im Wasser liegen aber die Fahrt ist trotzdem fix.

Sonnig ist es wieder. Der Wind frischt erst recht spät bis 7 auf. Irgendwelche Sperrgebiete? Kennen wir nur bedingt. Lippe passieren wir, da war ich doch kürzlich erst mit dem Spitfire. Wir machen gegen 18:00 Uhr in Schilksee fest. Viele, viele Freunde winken Rainer zu. Schnell ist das Boot voller Menschen. Alle gratulieren zu dem tollen Kauf und auch zu der schönen Überführungsfahrt.

Als ich später am Abend meine Sachen vorn Bord hole pfeift der Wind, eine hohe See hat sich aufgebaut und die Brecher werfen Gischt über die Molen. Wir haben den perfekten Zeitraum für unsere Tour gehabt.

 

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